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Deutscher Orgelbau ist Teil des immateriellen Kulturerbes der Menschheit

Lesedauer: 5 Minuten

Die Unesco, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, hat „die Tradition von Orgelbau und Orgelmusik in Deutschland“ zum Weltkulturerbe erklärt.
Mit "intakt.", dem Technik- und Wirtschaftsmagazin von Ludwig Meister, sprachen wir mit Orgelbaumeister Thomas Jann, Geschäftsführer der Thomas Jann Orgelbau GmbH und Vorsitzender des Bundes Deutscher Orgelbaumeister, über die Funktion und Faszination der "Königin der Instrumente".

 

Musik im Wind.

Die Thomas Jann Orgelbau GmbH ist Meisterin ihrer Zunft. In einer Werkstatt im niederbayerischen Allkofen  entsteht die Königin der Instrumente – für Kirchen und Konzertsäle auf der ganzen Welt. Dafür greifen die  Orgelbauer auch auf Technik von Ludwig Meister zurück.

Luft gibt es nicht. Wir sprechen von Wind“, sagt Orgelbaumeister Thomas Jann. Und eine Orgel besteht aus einem riesigen Labyrinth an Kanälen, durch die der Wind strömt. Er wird im Gebläse erzeugt und dann bis zu den sogenannten Windladen der Orgel weitergeleitet. Auf diesen stehen die einzelnen Pfeifen. Die Windladen speichern die strömende Luft und geben sie auf Tastendruck des Organisten in die Pfeifen frei. „Ein ruhiger, gleichmäßiger Wind ist das A und O einer Orgel. Nur dann erzeugt die Pfeife einen reinen Ton“, fügt Thomas Jann hinzu. Der 53-jährige Geschäftsführer der Thomas Jann Orgelbau GmbH und Vorsitzender des Bundes Deutscher Orgelbaumeister muss es wissen: Er übernahm 1995 den renommierten Betrieb vom Vater, zu dessen Lebenswerk auch die Hauptorgel des Münchner Liebfrauendoms gehört. „Seit 1975 haben wir 284 Orgeln gebaut“, sagt Thomas Jann. „Opus“ 283 und 284 – so heißt im Orgelbau ein fertiges Instrument – vollendete der 15-köpfige Betrieb 2013.   


Auf der Intornierlade werden ganze Pfeifenregister feingestimmt. Register orientieren sich häufig am Klang anderer Musikinstrumente.
 
Der Orgelbau ist eine Kunst für sich. Die Orgel gilt als Königin der Instrumente. Sie kann Begleitung für einen Kirchenchor sein oder ein ganzes Orchester ersetzen – kein anderes Musikinstrument ist so komplex. Die einzelnen Instrumente des Orchesters sind bei der Orgel als unterschiedliche Register vertreten. Thomas Jann: „Das Register ist eine Pfeifenreihe gleicher Form und Bauart – und damit gleicher Klangfarbe.“ Wie die einzelnen Orgelregister klingen, ist häufig dem Klang von Musikinstrumenten nachempfunden. Und auch die Registernamen orientieren sich daran: Trompete, Posaune oder Flöte. Ihre Anzahl reicht von weniger als zehn bis in die hunderte. Mit mindestens 56 Pfeifen pro Register haben bereits kleine Orgeln einige hundert, große sogar mehrere tausend Pfeifen. „Wenn alle Register gezogen sind, ertönen sämtliche Pfeifen der Orgel“, sagt Thomas Jann. Dann spürt man ihre musikalische Kraft – vor allem an der Lautstärke.

 


penible Feinarbeit: in der Intonation bekommen die Orgelpfeifen den richtigen Klang.

Für den Pfeifenbau ist in der niederbayerischen Werkstatt ein eigener Bereich vorhanden – die Intonation. Dort bekommen die Orgelpfeifen ihr Gesicht. Um den Orgelwind in unterschiedliche Klänge zu verwandeln, muss Frank Schüngel, der Tonmacher oder auch Intonateur bei der Thomas Jann GmbH, das Metall schnitzen und feilen. Weil die Zinn-Blei-Legierung der Metallpfeifen sehr weich ist, geht dies leicht von der Hand – und ist trotzdem penible Feinarbeit. „Jede Pfeife hat ein Maß, die Mensur, und diese bestimmt den späteren Ton“, sagt Thomas Jann. Aus der Länge der Pfeife lässt sich die Tonhöhe direkt ableiten: Lange Pfeifen klingen tief, kurze Pfeifen hoch. Hinzu kommt noch das Verhältnis von Durchmesser und Länge, die Größe des Pfeifenschlitzes und den Flächen darüber und darunter.
 
Aber nicht nur die Metall-, sondern auch die Holzverarbeitung ist im Orgelbau wichtig. „Das Gehäuse und die größten Pfeifen unserer Orgeln sind aus Holz“, sagt Thomas Jann. Dazu steckt in jedem neuen Instrument auch viel Bewegung: Jede Taste öffnet Ventile und jeder Zug am Register verschiebt eine Windlade. Damit die Luft aus dem Gebläse gleichmäßig bleibt, strömt der Wind zunächst in einen Blasebalg. Feine Seilzüge, die über Rollen laufen, verhindern, dass der Balg sich nicht zu weit öffnet. Ludwig Meister liefert für dieses Seilzugsystem – auch „Drossel“ genannt – die Nadelhülsen. Und auch an anderer Stelle steckt Antriebstechnik von Ludwig Meister: Denn das Gestänge, mit dem man die „Schwellerflügel“ zum Regulieren der Lautstärke einstellt, bewegt sich erst dank Kugellager.


Die Register werden über verborgene Seilzüge in der Orgel bedient.
 
Bis zu eineinhalb Jahre benötigen die Orgelbaumeister für eine Orgel. Wenn das Opus in der Werkstatt fertiggestellt ist, wird es – zerlegt in möglichst große Einzelteile – zum Auftraggeber gebracht. In der Kirche oder dem Konzertsaal am Zielort benötigen die Intonateure noch weitere fünf bis sechs Wochen für den optimalen Klang: „Jede einzelne Pfeife wird dabei geprüft und gestimmt“, sagt Thomas Jann. Mit beeindruckender Akribie schnitzen die Intonateure dann hier und dort noch ein Stück aus einer Pfeife oder klopfen sie leicht mit einem Hammer noch ein paar Millimeter tiefer in die Windlade. Und obwohl das imposante Instrument mit seinen tausenden Pfeifen und Registern unbeherrschbar scheint, schafft es der Organist, himmlische Hymnen zu erzeugen. Thomas Jann überrascht das nicht: „Der Mensch ist auch in der Lage, einen Jumbojet zu fliegen.“ Und doch ist jede Königin für Thomas Jann mehr als eine mächtige Musikmaschine: „Sie erklingt für den Menschen und soll ihm zu Emotionen verhelfen. Darin liegt für mich die Faszination an unserem Handwerk.“

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